Stufe | 4 | 5 | 6 | 7 |
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Anzahl Lektionen | 4 | 4 | 3 | 3 |
Der Lateinunterricht vermittelt zunächst einmal grundlegende Kenntnisse der lateinischen Sprache. Dadurch öffnet er den direkten Zugang zur lateinischen Literatur und einen Horizont von mehr als zwei Jahrtausenden, von der Antike bis zur Neuzeit. Als ein grundlegend interdisziplinäres Angebot vermittelt der Lateinunterricht zwischen unterschiedlichen Kulturräumen, Zeiten und Weltanschauungen, die für das Verständnis der europäischen Identität und darüber hinaus fundamental sind. Gerade als klassisches Bildungsfach leistet er einen unverzichtbaren Beitrag zur rationalen Lösung von Problemen der Gegenwart wie der Zukunft, indem er Geistes- und Naturwissenschaften verbindet, Sprache als Gemeinsamkeit erleben lässt und unterschiedliche Antworten auf wesentliche Sinnfragen zu Bewusstsein bringt und fördert.
Im Zeitalter von Globalisierung, Digitalisierung und Technisierung vermittelt der Lateinunterricht eine umfassende Allgemeinbildung, die fragwürdiger Spezialisierung entgegenwirkt. Indem er durch die Lektüre klassischer Werke die gemeinsamen Wurzeln bewusst macht, führt er die Lernenden zu gesellschaftlichen Grundsatzfragen und schärft den Blick für Perspektiven, die über ein rein funktionales Menschenbild hinausweisen. Die kritische Auseinandersetzung mit klassischen Werken fördert eine Kultur des Kontrastes, die zur moralischen und intellektuellen Mündigkeit der Lernenden wesentlich beiträgt. Diese erfahren dadurch Latein als jene kulturelle und sprachliche Klammer, die die europäischen Völker – aller nationalen Verschiedenheiten zum Trotz – verbindet. Latein als «Wurzelsprache» legt das Fundament, auf dem die eigene Muttersprache gedeiht und sich das Sprach- und Ausdrucksvermögen entwickelt. Es öffnet nicht nur den Blick für termini technici, Lehn- und Fremdwörter und ebnet den Zugang zu Fremdsprachen, sondern leistet durch vertiefte Sprachreflexion einen wesentlichen Beitrag zur sprachlichen Allgemeinbildung der Lernenden. Kennzeichnend für den gymnasialen Lateinunterricht ist es, dass er immer über das Ziel des reinen Erlernens von Latein hinausführt. Allgemeingültige Erkenntnisse über die Hintergründe von Sprache generell und von einzelnen Sprachen, Verständnis und Wissen über Sprache und Sprachen, Freude am «Wunder Sprache», im Sinne einer sprachlichen Allgemeinbildung, müssen ebenso Ziele und Inhalte des gymnasialen Sprachunterrichts sein. Ein Sprachunterricht dieser Art ist es auch, der ganz praktischen Nutzen, etwa für den leichteren Erwerb von Sprachen bietet. Da die fundamentalen Erscheinungen und Gesetzmässigkeiten sich in allen unseren Sprachen wiederfinden, verwirklicht der Lateinunterricht in dieser Ausrichtung ein sprachliches studium generale: Offenheit nach allen Seiten, Zusammenarbeit mit den anderen Sprachfächern: Interdisziplinarität.
Die Erkenntnisse der Linguistik, etwa in den Bereichen der Zeichentheorie und der Kommunikationstheorie, ebenso auch der historischen Sprachwissenschaft, erhalten in dieser Art von Unterricht ein Gewicht – jedoch nicht als Selbstzweck, sondern stets im Hinblick auf ihren Nutzen im Rahmen der sprachlichen Allgemeinbildung und in schülergerechter Form.
Der Lateinunterricht schärft das Bewusstsein für kulturelle Vielfalt und versucht dadurch angesichts der zunehmenden Globalisierung, einen Beitrag zur Toleranz anderen Kulturen und Religionen gegenüber zu leisten. Er hilft, das Wissen um die eigenen Ursprünge in einer sich rasant dynamisierenden Welt als Orientierungshilfe für die Zukunft zu bewahren.
In seiner Multivalenz vermittelt der Lateinunterricht als Brückenfach zwischen Menschen und Kulturen, zwischen Zeiten und Orten und zeigt Gemeinsamkeiten, wo Trennungen behauptet werden.
Die Schülerinnen und Schüler beherrschen die Mittel der Texterfassung und setzen sie regelmässig als Hilfe für das Verständnis der lateinischen Texte ein
So vorverstandene Texte können sie adäquat ins Deutsche übersetzen
Die Schülerinnen und Schüler arbeiten genau, konzentriert und ausdauernd an einem Text mit dem Ziel der Präzision im Umgang mit Sprache
Sie begegnen neugierig, offen und unvoreingenommen auch vorerst fremden Ansichten und Wertvorstellungen der Antike
Vorbemerkung: Bei den angegebenen Lerninhalten handelt es sich um eine Auswahl möglicher Optionen, die gegebenenfalls ergänzt werden kann.
Drama, Lyrik, Epos, Prosa
Wohnkultur, Weinbau, Essen, Trinken, Sport und Körperpflege, Theater und Spiele, Entdeckungen der Griechen
Ethnologie, Briefliteratur, Philosophie, Recht, Religion, Mythologie, Politik, Gesellschaft
Wissenschaftstradition der Antike
Anthropologie, Modelle menschlichen Verhaltens
Mindestwortschatz von 1200 bis maximal 1400 Vokabeln (Stufe 4 und 5)
Rondogramme für wichtige polyseme Wörter
Verb- und Stammformen bilden, bestimmen und übersetzen; alle Konjugationen, esse und Komposita; posse, velle, nolle, (malle), ire, ferre; alle Tempora (Stufe 4 und 5) und ihre Funktionen
Substantive und Adjektive aller Deklinationen; die wichtigen Kasusfunktionen; Pronominaladjektive; Personal-, Possessiv-, Relativ-, Demonstrativ- und Relativpronomen; Adverbbildungen (Stufe 4 und 5)
AcI-Konstruktionen; attributives und prädikatives Partizip; Ablativus absolutus; Gerundium; Gerundiv (Stufe 4 und 5)
Konjunktiv und seine Bedeutungen; Satzmodelle (Stufe 4 und 5)
Vergangenheitstempora: Deutsch versus Lat./Franz./Ital./Span./ Engl.;
AcI im Engl.;
Partizipialkonstruktionen im Lat./Franz./Ital./Span./Engl.
Analyse von Satzgefügen
Übersetzungstechniken
als ständig begleitender Hintergrund der Arbeit an Sprache und Texten
Termini technici
Medizin, Naturwissenschaft, Informatik, Geisteswissenschaften
Französisch, Italienisch, Spanisch
Vokabelvergleich, Grammatikvergleich (cf. o.)
Stilmittel und Wortspiele im Text finden, benennen und die Wirkungsabsicht des Autors erarbeiten
Verwendung von Stilmitteln und Wortspielen im Deutschen und in den modernen Fremdsprachen an Beispielen aufzeigen und selbst bilden
lateinische Grammatik als Grundmuster für die Grammatik europäischer Sprachen und als Spiegel weltanschaulicher Muster
Grundsätzlich bei allen Texten, als Vorarbeit für die eigentliche Übersetzung oder auch als Ersatz
Poesie, Prosa, philosophische Literatur, Alltagsliteratur
Reden: rhetorische Finessen, den Sinnzusammenhang freier Übersetzungen prüfen
Textsorten
Texte visualisieren, modifizieren (inhaltlich, formal, medientechnisch etc.), szenisch darstellen
Ziel ist es, nach rund dreieinhalb Jahren (Lehrbuchphase) die grundlegende Grammatik- und Wortschatzarbeit (ca. 1300 bis 1400 Wörter) abzuschliessen (Stufe 5 Ende 1. Semester). Mit dem 2. Semester der 5. Stufe beginnt die Phase der Auseinandersetzung mit lateinischer Originallektüre. Sie umfasst selbstredend auch die Stufen 6 und 7. Im Fokus stehen zentrale Texte, Themen und Probleme verschiedener Autoren und Epochen, die den Horizont der Schülerinnen und Schüler erweitern und in unterschiedlichen Lernformen erarbeitet werden. Auswahl und Umfang orientieren sich selbstverständlich am üblichen Kanon, liegen aber grundsätzlich in der Eigenverantwortung der jeweiligen Lehrperson. Die Themata sollen geeignet sein, ein Bewusstsein für die zeitlose Aktualität und Modernität der Antike zu stiften und im Idealfall bei der Bewältigung aktueller Probleme zu helfen. Die Inhalte der Lehrbuchphase werden gegebenenfalls aufgegriffen, erweitert und vertieft.
Bei der vorgelegten Auswahl wird für jedes Fach beispielhaft je ein Projekt vorgestellt. Grundsätzlich ist es möglich, entsprechende Projekte auch mit mehreren Fächern zu behandeln. Latein bietet sich in besonderem Masse dank seiner grundlegenden Ausrichtung und Universalität für fächerübergreifenden Unterricht an.
Die antike Theorie der Urzeugung und ihre Überwindung in der Neuzeit |
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Philosophische Texte über die geisteswissenschaftlichen Voraussetzungen für das Aufblühen der Mathematik in der Antike |
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Auseinandersetzung mit dem Materialismus/Atomismus der Antike: Lukrez: De rerum natura. |
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antike Heilmittel nach Originalrezept herstellen |
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Umsetzung antiker Vorlagen: Orpheus und Eurydike von Gluck |
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der Laokoontext in der Aeneis und die Laokoongruppe |
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Freifach Theater |
Aufführung der «Menaechmi» des Plautus |
Fake-News damals und heute |
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Das geographische Weltbild des Ptolemaios |
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Ovid als literarische Vorlage Shakespeares |
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Dante und Vergil. Grundlagen des Hochmittelalters |
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Vergleich des spanischen Columbusbriefes mit der lateinischen Übersetzung |
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Francois Villon und seine Verankerung in der Vagantendichtung |
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Antikensehnsucht in der deutschen Literatur, z.B. Goethes Prometheus-Hymne |
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Das Wirtschaftssystem der Antike und heute |
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Die Olympischen Spiele in ihrer Entwicklung |