Dr. Daniel Levin verfügt durch seine Tätigkeiten für die Stiftung über viele internationale Kontakte. Deswegen wird der in New York lebende Anwalt immer wieder in Friedens- und Geiselverhandlungen involviert – seien es Deeskalationsgespräche zwischen China und Taiwan oder das Sammeln von Informationen darüber, ob die von den Hamas in Israel entführten Geiseln noch leben.

Einblicke durch ein realistisches Rollenspiel

Während eineinhalb Stunden brachte Daniel Levin am 7. Mai 2025 seine herausfordernden Tätigkeiten den Schülerinnen und Schülern von zwei Maturaklassen näher, indem er die Rolle eines Geiselnehmers übernahm und die Jugendlichen aufforderte, über die Freilassung einer Geisel zu verhandeln. In diesem Rollenspiel wurde deutlich, wie sehr sich politische, kulturelle, wirtschaftliche und persönliche Hintergründe derart verflechten, dass Verhandlungen einem Tanz auf dem Vulkan gleichen. Indem die Verhandlerinnen und Verhandler versuchten, herauszufinden, wie sie den „Geiselnehmer“ in Geberlaune bringen könnten, und indem Herr Levin ihre Schachzüge kommentierte, gab er Einblick in einen Teil seiner Arbeit und des Auftrags der Liechtenstein Foundation for State Governance in Vaduz. Er machte den Klassen 7Nb und 7Wb anhand eines beispielhaften Szenarios deutlich, wie wichtig erlernte Fachkompetenzen wie Mehrsprachigkeit und Faktenwissen und Kommunikationsstrategien, aber auch soziale Intelligenz, Kreativität für spontane Entscheidungen, soziale Netzwerke und physische Ausdauer sind. So wurde im Verlauf der Verhandlung mit dem Geiselnehmer auch klar, wie komplex ein solches Vorgehen ist, weil oft kaum Zeit bleibt, sich vorzubereiten, weil man unter grossem Stress steht und sich die Bedingungen ständig ändern können. Jedes Wort kann dazu führen, dass der Geiselnehmer ein Gespräch abbricht und die Geisel hinrichtet. Daniel Levin betonte, wie wichtig es ist, sich sehr gut vorzubereiten, authentisch zu bleiben, das Gegenüber nicht zu unterschätzen und zu versuchen, eine echte emotionale Verbindung herzustellen. Denn wenn kein Vertrauensverhältnis geschaffen werden kann, dann nützen auch die besten Strategien und Ideen nichts. Auch erklärte er, dass die Stiftung nie auf Lösegeldforderungen eingeht bzw. Geld bezahlt und deshalb «kreative» Angebote gemacht werden müssen, wie z.B. die Organisation einer Bestrahlungstherapie für den krebskranken Vater des Geiselnehmers im Ausland.

Ernüchternde Realität, Mitwirkungsmöglichkeiten und offene Fragen

Wir bekamen eine Idee davon, wie schwierig und ernüchternd es sein muss, in zerstörten oder dysfunktionalen Staaten wie Syrien oder Jemen kleine Erfolge zu erzielen. Und obwohl wir durch Daniel Levin einige Antworten bekamen, blieb die Frage im Raum stehen: Wie kann man als so kleines Land wie Liechtenstein in Ländern, die in der Gewalt von verbrecherischen Einzelgruppen oder eines verbrecherischen Regimes sind, Geiseln freibekommen oder gar nachhaltig am wirtschaftlichen Aufbau oder Demokratisierung mitwirken? Die Schülerinnen und Schüler überlegten zum Abschluss, in welchen Alltagssituationen sie als Verhandler auftreten und welche Strategien sie in «Verhandlungen» mit ihren Eltern oder den Lehrpersonen anwenden und inwiefern sie sich mit den besprochenen Strategien unterscheiden.

Text: Angelika Rusch

Fotos: Eugen Nägele