Da Anna auch das Liechtensteinische Gymnasium besuchte, war gleich ein Anschlusspunkt für die Schülerinnen und Schüler gefunden. So erzählte sie den Schülerinnen und Schülern, sie habe ihre Gymnasialzeit im ersten Jahrgang des Profils Kunst, Musik und Pädagogik abgeschlossen. Bei der abschliessenden Fragerunde kamen die Schülerinnen und Schüler dann auch darauf zurück und fragten Anna, welches Fach denn ihr liebstes gewesen sei. Ihre Antwort: „Kunst“, wobei ihr auch andere Fächer wie Geografie oder Pädagogik gefielen. Ihre damaligen Lehrpersonen, welche teilweise auch an der Lesung teilnahmen, haben sich sichtlich über ihre Antwort gefreut.

Aber erstmal zurück zum Anfang. Anna gestaltete beide Lesungen nicht komplett gleich. So stellte sie die Reihenfolge und Texte für die 2. Lesung mit den jüngeren Schülerinnen und Schülern der 4. Klasse ein wenig um. Den Kern der Lesung bildeten jeweils die beiden Prologe und eine weitere Stelle ihres Erstlingswerkes „Wurzelstudien“ sowie Gedichte anderer Dichter. Wie in ihren Büchern wurden die Textpassagen auch im Vortrag mit Fotografien und Collagen untermalt.  

 „Ich habe mir zwei Prologe erlaubt“, erklärte Anna, bevor sie den Schülerinnen und Schülern den ersten Prolog vorlas. Dabei beschrieb sie lyrisch eine Szene eines Wintertages. Der zweite Prolog war länger. In diesem begegnet die Ich-Erzählerin einem alten Mann, der sagt, sie sehe aus wie ihre Mutter und „A schöns Haferl gibt schöne Scherben“. Dies ist für die Erzählerin bemerkenswert, da sie gerade in einen verwahrlosten Stall eingebrochen ist. In dem Stall, einem Sehnsuchtsort ihrer Kindheit, findet sie ein Steinölgewinnungsbuch, in dem sie Seiten mit rotem Edding beschreibt, und vier dünne Mappen. Die beschriebenen Seiten reisst sie heraus und die Mappen nimmt sie mit.  

Der Einstieg kann einige Schülerinnen und Schüler verwirrt haben, denn ohne Vorbereitung machen die Prologe noch nicht offensichtlich, dass es sich bei „Wurzelstudien“ um eine lyrische Betrachtung von Herkunft und Abstammung handelt. Das wird erst in der nächsten Textpassage offensichtlich. Die Ich-Erzählerin Anna Ospelt besucht darin ihren Grossonkel und das Elternhaus ihres Grossvaters. Eine Schülerin fragte später, um was es sich bei den Passagen gehandelt hat, und Anna erklärte, dass es sich um Autofiktion handelt, also um eine fiktive Weitererzählung von gewissen Ausgangspunkten in ihrem Leben.

Normalerweise müsse man ein Gedicht mehrmals, teilweise sogar hundertmal überarbeiten, bis es passe. Doch ab und zu stimme es schon von Beginn an, erklärt sie, bevor sie ein Gedicht über Lampenfieber vorliest, das sie in der Tram geschrieben hat.

Es war Anna auch wichtig, den Schülerinnen und Schülern Gedichte anderer Dichter, welche sie beeinflusst haben, näherzubringen. Denn sie sagt: „Man ist als Schriftstellerin immer von anderen inspiriert“. So las sie Gedichte von Friederike Mayröcker, Eva Seck, Daniela Danz und Kurt Aebli vor. Wobei sie das Gedicht von Friederike Mayröcker in Anlehnung daran, dass sie ihre Gedichte immer zweimal vorliest, auch zweimal vorlas.

Wie anfangs schon erklärt, hatten die Schülerinnen und Schüler zum Abschluss noch die Möglichkeit, Fragen zu stellen, was gut genutzt wurde. So erfuhren die Zuhörenden beispielsweise, dass Anna Soziologie studiert hatte und wie sie vom Schreiben von Kolumnen zur Schriftstellerin wurde. Oder dass sie nicht beeinflussen könne, wann sie die Inspiration trifft. Leider oft zur Unzeit, aber man müsse einfach mit den Wellen gehen. Das Publikum fragte auch, ob Anna ein vordergründiges Motiv habe. Das verneinte sie, aber sie interessiere sich vor allem für Biografien einzelner Personen und als Soziologin auch für gesellschaftspolitische Themen. Momentan schreibe sie über das Weben und sie hoffe, dass die Erstfassung ihres nächsten Buches bis zur Geburt ihrer Tochter fertig wird. Damit kam der Einblick in die Welt der Lyrik für die Schülerinnen und Schüler auch schon zum Ende.

Text: Fabian Kindle, Mediathekar

Foto: Marilena Roperti, Mediathekarin