Das Schultheater bietet kreativen SchülerInnen eine Plattform für freie Experimente, sich zu hinterfragen, auszuleben, Grenzen zu überschreiten. Ein Wagnis, das Mut erfordert und auf Vertrauen basiert. Selbstvertrauen und Vertrauen gegenüber den übrigen Mitgliedern der Theatergruppe. Hierin liegt wohl der Schlüssel zum Erfolg der Schultheatergruppen. Miteinander Spass zu haben, verrückte Situationen zu erleben und auch in der Freizeit zusammen zu sein und zu arbeiten. In der Unterstufe werden eher deutlich fassbare Rollen, Typen gespielt, in der Oberstufe geht es darum, Brüche und innere Widersprüche an Hand einer Rolle zu erfassen und für sich selbst zuzulassen.
Geprobt wird bis auf 2 Tage vor der Premiere ausschliesslich in der Freizeit, eine erhebliche Zusatzbelastung für alle Beteiligten. Aber das hat auch sein Gutes: so bleiben nur wirklich enthusiastische „Spinner“ übrig, die sich hier frei entfalten können und wollen.
Wir verfolgen mit unseren Aufführungen keine konkreten politischen Ziele.
Die oft beliebte und griffige Thematisierung aktueller politischer Themen wie Rassismus oder von Umweltfragen bewirkt – Schiller möge es verzeihen, aber ein Blick auf die Theaterprogramme vor der Machtergreifung Hitlers belegt dies, leider – kein Umdenken bei den Theaterbesuchern. Allenfalls ein seelisches Strohfeuer. Aber im Endeffekt, was könnte mehr Toleranz fordern und fördern, als die Macken und Probleme anderer Menschen so intensiv zu erleben, wie dies beim Theater unwiderruflich der Fall ist? Ein Auftritt auf der Bühne, noch mehr das Proben einer Rolle ist ein radikaler Seelenstriptease. Kann ich weinen, kann ich lachen, kann ich versteckte Wunden aufbrechen lassen? Kann ich durch mein Spiel meine Mitspieler motivieren, sich mir ohne Maske zu zeigen?
Die Auswahl unserer Stücke legt immer das grösste Augenmerk darauf, ob die Rollen geeignet sind, die Persönlichkeit der jungen SchauspielerInnen zu entfalten.
Jugendliche verspüren einen grossen Drang dazu, problematische, seelisch sehr komplexe und oft auch todernste Rollen und Stücke zu spielen. Aber, ein zweites Mal bitte ich um Verzeihung, hier ist die Gefahr riesengross, plakativ statt persönlich zu werden, Gefühle zu überzeichnen, im Verlangen, sie innerlich zu erleben, ohne sie aber bis dato persönlich erlitten zu haben. Und wieviel schwerer ist es, Menschen dazu zu bringen, sich „tot-zulachen“ als „tod-traurige“ Gefühle zu empfinden?
Eine unserer besten Aufführungen war „Alle gegen Alle“, Stacheldraht auf nackter Haut und auf der Seele. Bei den Proben gingen wir so weit wie nie zuvor. Das war nur möglich, weil damals alle Beteiligten sehr eng miteinander befreundet waren. Aber die Schlussvorstellung spielten wir vor einer fast menschenleeren Aula! Und was wäre verlogener, als zu bestreiten, dass Schauspieler geradezu darauf versessen darauf sind, die Reaktionen im Publikum zu spüren und sich vom Publikum gefühlt zu wissen!
Zwei Stücke haben wir zweimal gespielt, „Arsen und Spitzenhäubchen“ und „Das Wirtshaus im Spessart“. Aus einem einfachen Grund: es sind zwei wunderbare Stücke, bei denen garantiert ist, dass die Zuschauer mitleben und mitlachen. Für mich als Leiter der Theatergruppe übrigens eine sehr spannende Erfahrung, zu sehen, wie unterschiedlich die Aufführungen am Ende gerieten. Die Menschen machen das Theater aus. Das Kino ist eine „Konservendose“ mit immer gleich gutem oder schlechten Geschmack, beim Theater kommt es bei 5 Aufführungen vielleicht zu einer, bei der alle ihren besten Abend haben, aber das grenzt schon an ein Wunder.
Wir sind abhängig von unserem Publikum, von seinen Reaktionen. Unerfahrene SchauspielerInnen, wie meist im Schultheater, verzweifeln schier, wenn nach einer rauschenden Premiere bei der zweiten Aufführung die Reaktionen ausbleiben. Sie beginnen automatisch, den Fehler bei sich zu suchen, verlieren die innere Balance, an der sie über Monate gearbeitet haben. Und dann ein Beifall, ein Lacher an einer Stelle, die bei der Premiere unterging und auf einmal beginnt ein ganz anderes Stück. Denn Theater und ganz besonders Schultheater ist nie nur ein Stück, es ist immer ein lebendiger Austausch von Gefühlen!
Mittlerweile haben wir einen festen Stamm von Besuchern, denen unsere Art zu spielen, zuzusagen scheint. Die Premieren werden zu „Heimspielen“, denn sehr viele Ehemalige kommen an diesem Abend. Verbunden mir Ihrer Schule und Ihrem Schultheater! Und alle steigen vor der Aufführung hinunter in die „Katakomben“, weil sie für einen kurzen Augenblick die Anspannung und Dichte spüren wollen, die sich dort unmittelbar vor der Premiere ansammelt. Und weil sie sich an ein geheimes Ritual erinnern, an dem sie unmittelbar vor den Aufführungen teilgenommen haben. Welches Ritual? Das wird hier nicht verraten, das lässt sich auch gar nicht in Worte fassen, so schön ist dieser Moment. Einfach anmelden und miterleben!
Klaus Koppe